Neuer PR-Coup: Lufthansa kündigt Hochfahren des Flugprogramms trotz erheblicher Unsicherheiten an

Airline will ihr komplettes weltweites Strecknetz trotz anhaltender Virusinfektionsgefahr und Reisebeschränkungen aktivieren. Bis September sollen angeblich alle Ziele wieder angeflogen werden. Naive Absichtserklärung oder plumper PR-Coup?

Berlin – Das Lufthansa-Management hat angekündigt, den Flugbetrieb trotz anhaltender Virusinfektionsgefahr und Reisebeschränkungen wieder auf fast volle Stärke hochfahren zu wollen. „Wir haben entschieden, dass wir bis September nahezu alle Flugziele wieder anbieten, um ein vollwertiges Angebot für Privat- und Geschäftsreisende zu haben“, sagte Heiko Reitz, oberster Netzplaner des Konzerns in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Capital (Ausgabe 08/2021; EVT 15. Juli 2021).

Ist diese Ankündigung naiv oder einfach nur eine der typischen PR-Maßnahmen der nach Luft schnappenden Airline? Da fast täglich irgendwo auf der Welt neue Corona-Regeln, Quarantänemaßnahmen oder Lockdowns auftauchen, ist die Reisebranche trotz ständiger Wohlfühlreden tatsächlich doch eher im freien Fall. Darauf eine handfeste Prognose für den Frühherbst mit einer an Boomzeiten anmutenden Kapazitätssteigerung zu verwetten wirkt nicht wirklich glaubhaft. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Airline die Öffentlichkeit vorführt. So mussten im vergangenen Jahr zigtausende Kunden monatelang auf die Erstattung ihrer stornierten Flüge warten, was sogar zu einer Klagewelle über den Konzern geführt hat. Die Airline hatte damals einfach ihr Erstttungssystem heruntergefahren. Nun ist also Kuschelkurs und Optimismusverbreitung angesagt. Zu hoffen bleibt, dass die Flieger nicht so luftikusartig operiert werden, wie die Ankündigungen des vollen Wiederbetriebs.

Alle Ziele weltweit sollen demnach wieder angeboten werden, wenngleich zunächst nicht in der gleichen Frequenz mit zum Teil mehreren Flügen pro Tag auf einer Strecke. „Wir bieten Netzbreite statt Netztiefe an“, sagte Reitz weiter. Der 41-Jährige ist dem Vorstand um den fragwürdigen Konzernchef Carsten Spohr direkt unterstellt. Reitz entscheidet mit seinem rund 100 Mitarbeiter großen Team, welche Verbindungen die Konzernlinien Lufthansa, Swiss, Austrian, Brussels und Eurowings aufnehmen.

Im vergangenen Jahr kam der Luftverkehr weltweit durch die Corona-Pandemie zum Erliegen. Die Lufthansa musste den Verkehrsbetrieb zu 95 Prozent herunterfahren und rund 700 Flieger stilllegen. Viele der 110 000 Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit geschickt, in der Bilanz stiegen die Verluste stündlich um 1 Mio. Euro. Nur eine milliardenschwere Hilfszusage und eine Beteiligung des Bundes bewahrte den Konzern vor der Insolvenz.

Seit einigen Wochen ziehen die Reisebuchungen wieder an, liegen aber noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2019. Neben den dagegen boomenden Frachtflügen sind nun in der Ferienzeit vor allem typische Touristenziele wie Mallorca, Italien und Griechenland gefragt. Diese Strecken hat auch die Lufthansa im Programm. Geld verdiente das Unternehmen allerdings bislang mit Geschäftsreisenden auf Langstreckenflügen. Die bleiben jedoch noch aus. Zukunftsperspektive unsicher.

Den Fokus auf Geschäftsreisende will das Lufthansa-Management dennoch beibehalten. Auch wenn viele Experten davon ausgehen, dass diese Klientel auch künftig Zeit, Aufwand und Geld für Flugreisen sparen wird. An der Ausrichtung des Konzerns mit dem riesigen, kostenverschliegenden Apparat aus zahlreichen Fluglinien und großen Flughafenstandorten will der Vorstand nichts ändern. „Unsere fünf Drehkreuze München, Frankfurt, Zürich, Wien und Brüssel bleiben erhalten, ebenso das engmaschige Netz an Zubringerflügen von Regionalflughäfen“, kündigte Netzplaner Reitz an.

Auch wenn die Ankündigung des Managements fast tollkühn ist, sie bringt den Firmennamen als Optimismusverbreiter einmal mehr ins Gerede und strahlt eine – wenngleich fragwürdige – Stärke aus. Vielleicht schafft es der Vorstand damit seine zuletzt sehr skrupellosen Managementmethoden im Personalbereich zumindest kurzfristig ein wenig zu übertünchen.

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